Paul Fournels fulminantes Lob des Fahrrads.
Das vielleicht schönste Buch über die Leidenschaft fürs Radfahren.
Das Schlüsselwerk des vielfach ausgezeichneten französischen Schriftstellers Paul Fournel ist ein wahrer Klassiker der Radsportliteratur und verzaubert auch nach mehr als zwanzig Jahren noch mit geistreichen und erhellenden Weisheiten über Fahrräder und das Radfahren.
Die Kurzgeschichten über den Drang, sich immer wieder in den Sattel zu schwingen, die Paul Fournel in »Die Liebe zum Fahrrad« versammelt, umspannen praktisch alle Sinnes- und Erfahrungsebenen leidenschaftlicher Radfahrer: die Landschaften, die an ihnen vorbeifliegen. Die Passstraßen, die sie erobern und mit ihrem Schweiß tränken. Todesverachtende Abfahrten und halsbrecherische Stürze. Die Schmerzen in den Beinen und das Ringen nach Atem. Die schönsten Kindheitserinnerungen und den seligsten Endorphinrausch. Die Kameradschaft des Pelotons und das Kräftemessen. Die Gemeinheit des Windes und die Schönheit eines handgefertigten Rennrads. Die Gerüche, die Geräusche und die Sprache des Radsports. Im Heute und in seiner ruhmreichen Geschichte. In den Bergen, in der Stadt und bei der feierabendlichen Flucht aufs Land. Im Windschatten Gleichgesinnter und als einsamer Solist. Leidend, völlig erschöpft … und doch stets von purer Freude erfüllt.
Wer ein Ohr hat für die Literatur und sein Fahrrad liebt, wird dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen wollen. Denn Paul Fournels gesammelte Erzählungen vom Radfahren besitzen jene seltene, kostbare Magie, die unmittelbar einen Strom liebevoller Erinnerungen auslöst – bei allen, die selbst mit Freude in die Pedale treten.
Leseprobe „Die Liebe zum Fahrrad“:
Saint-Julien
„Das war nicht mein erster Crash gewesen.
Jeder Radfahrer, selbst der blutigste Anfänger, weiß, dass er in seinem Leben über kurz oder lang einmal Bekanntschaft mit einer Autotür machen wird. Die Tür kann jederzeit, mal links, mal rechts, vor ihm aufspringen. Immer und überall lauert die Gefahr, auch dort, wo er sie am wenigsten erwartet: an einer Kreuzung, einem Abzweig, auf einer schnurgeraden, menschenleeren Straße.
Als Stadtradler verfüge ich über einen breiten Erfahrungsschatz: rechte Tür, linke Tür, höher gelegte Lkw-Tür, tiefer gelegte Cabriotür, samt der Palette an Begleitkommentaren – von dem höchst seltenen »’Tschuldigung« über »Pass doch auf!« bis hin zu dem pittoresken »Sie haben mir eine Schramme in den Lack gemacht«. Bei mäßiger Geschwindigkeit geht es relativ glimpflich aus: eine Fingerfraktur, ein ausgekugeltes Schultergelenk, eine hartnäckige Migräne, ein gefährlicher Spagat auf einer stark befahrenen Straße.Ich habe sehr früh mit dieser Disziplin angefangen und gleich zu Beginn meiner Karriere meine erste Tür abgekriegt. Auf dem Rückweg von einer kleinen Radtour mit meinen Cousins fuhr ich artig auf der rechten Seite, wie man es mir beigebracht hatte. Wir kurbelten ziemlich eilig, weil es bereits Essenszeit war.
Paul Fournel
Da wurde gedankenlos vor mir eine Wagentür aufgerissen. Mein Fahrrad stoppte, ich hingegen flog im hohen Bogen über die Tür – damals benutzte ich noch keine Hakenpedale. Ich landete ziemlich unsanft kopfüber im Rollsplitt. Die eine Gesichtshälfte war mit kleinen schmutzigen Steinen übersät. Ich spürte, wie meine Lippen und die eine Augenbraue anschwollen. Ich wurde einäugig und stumm. Würde meine eigene Mutter mich wiedererkennen?
Die Frau, die mir diese Überraschung bereitet hatte, kam angesichts meines zarten Alters in arge Verlegenheit. Sie nahm mich auf den Arm, trug mich in ihren Garten und dachte sich alles Mögliche aus, um die Erinnerung an unser leidvolles Zusammentreffen auszulöschen. Vor allem wollte sie sich vergewissern, dass bei mir nichts gebrochen war, und schien jeden Knochen einzeln nachzählen zu wollen.
»Es war keine Absicht«, versicherte sie mir. Das glaubte ich ihr gern, denn ich kannte bereits tausend wirkungsvollere Methoden, seinen Nächsten aus dem Weg zu räumen. Sie erschien mir allmählich ziemlich wirr, und so wartete ich immer ungeduldiger auf meine Mutter.
In dem Augenblick kam der Frau der geniale Einfall, mir ein großes Glas Martini zu bringen, um mich wieder aufzupäppeln. Ich leerte es in einem Zug, und so folgte auf meine erste Kollision mit einer Autotür mein erster gründlicher Rausch. Die Dame beugte sich über mein geschwollenes Gesicht, und pausbackig wie sie war hätte ich sie am liebsten geohrfeigt. Ich war volltrunken, übel zugerichtet, gewaltbereit und hatte nur noch einen Wunsch: wieder aufs Rad zu steigen“
Der Autor:
Paul Fournel wurde 1947 in Saint-Étienne als Sohn eines Buchhändlers geboren. Schon im Alter von fünf Jahren beschloss er, Schriftsteller zu werden. Er studierte Literaturwissenschaften an der École normale supérieure in Saint-Cloud und hat seither zahlreiche Bücher veröffentlicht: Romane und Gedichtbände, Essays und autobiografische Erzählungen. Für Les Athlètes dans leur tête erhielt er 1989 den renommierten Prix Goncourt de la Nouvelle. Zudem hat er mehrere erfolgreiche Radsport-Bücher verfasst, u.a. das Lexikon Méli-Vélo (2008), die preisgekrönte Biografie Anquetil – Mit Leib und Seele (2012) und zuletzt Maison peloton (2022), das demnächst ebenfalls bei Covadonga in deutscher Übersetzung erscheint. Seit 1972 gehört er der internationalen Autorenvereinigung OuLiPo (Werkstatt für Potentielle Literatur) an, deren Präsident er seit 2003 ist.
Paul Fournels zweite Leidenschaft neben der Literatur gehört seit Kindertagen dem Rennrad.
[…] de la Nouvelle. Nun legt der Autor des in zahlreiche Sprachen übersetzten Rennrad-Kultbuchs »Die Liebe zum Fahrrad« einen Band mit 45 Kurzgeschichten vor, mit denen er seine Leserinnen und Leser mitten hinein ins […]