Buchtipp, Rennradnews
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Radsportherz

Radsportherz

Warum Radrennen der schönste Sport der Welt sind.

Eine literarische Liebeserklärung an den Radsport.

Bereits seit Kindertagen ist der dänische Schriftsteller und Filmregisseur Daniel Dencik ein glühender Anhänger des Radrennsports. In diesem Buch beschreibt er anhand einer Ausgabe der Tour de France, einer Straßenweltmeisterschaft und des traditionellen Saisonabschluss-Klassikers, der Lombardei-Rundfahrt, was die unwiderstehliche Anziehungskraft seines Lieblingssports ausmacht.


Daniel Dencik - Radsportherz.
Daniel Dencik – Radsportherz.

Ich denke über die Faszination nach, die dieser Sport auf mich ausübt, darüber, warum diese Nomaden, die mit ihren Beinen sprechen, mir so am Herzen liegen. Der Radsport ist insofern ungewöhnlich, als er ein Mannschaftssport für Einzelkämpfer ist. Ein Sport für Exzentriker und Abweichler. Jedes Rennen endet mit einem Gewinner und Hunderten von Verlierern. Das ist etwas ganz anderes als beim Handball oder Fußball, wo man in der einen Woche gewinnt und in der nächsten verliert oder gar unentschieden spielt. Der Radsport ist wie eine unglückliche, unerwiderte Liebe, Rennen für Rennen, Saison um Saison. Er ist der Club der hoffnungslosen Romantiker.

Daniel Dencik

Mit feiner Beobachtungsgabe und Gespür für poetische Metaphern gelingt Daniel Dencik ein wunderbar geschriebenes Sportbuch, das zum Nachdenken anregt. Elegant stellt er Bezüge zwischen Radrennen und dem Werk großer Autoren wie Dante, Baudelaire und Edgar Allan Poe her. Er begleitet gefeierte und gefallene Radsporthelden und erzählt zu Herzen gehende Geschichten vom Leben im Peloton. Das Resultat ist eine literarische Liebeserklärung an einen oft unverstandenen Sport, der seinen Reiz maßgeblich daraus bezieht, dass man als Zuschauer nicht alles sieht….


Leseprobe Radsportherz:

ANKOMMEN, UNTER TRÄNEN

„Ein kleiner Junge weiß viel zu viel und nahezu nichts über den Tod. Ich war vielleicht fünf Jahre alt. Wir lebten in Paris. Eines Sommers fuhren wir in die Normandie. Ich saß auf dem Rücksitz unseres Familienautos, einem Renault 4. An der Küste gingen wir durch die unbegreiflichen Reihen weißer Kreuze. Nach diesem Ausflug war ich wie besessen. Blatt um Blatt füllte ich mit langen Ketten aus kleinen, schwarzen Punkten. Jeder Punkt war ein Soldat. Bevor ich die Punkte setzte, zeichnete ich die Umrisse einer kahlen Landschaft. Dann füllte ich die Hügel und Täler mit Punkten, nichts als Punkten. Hunderte wurden zu Tausenden. Die Landschaften hingen zusammen, sodass ein Blatt an das andere geheftet werden konnte. Ich war schon immer von Quantitäten besessen. Wahrscheinlich versuchte ich, das Ausmaß des D-Days auf meine eigene Art und Weise zu begreifen. Ich wollte jedes weiße Blatt mit Punkten füllen. So sehen die Erinnerungen an einen Großteil meiner frühen Kindheit aus. Einen bleibenden Eindruck aber hinterließ die Größe und Gewalt der weißen Fläche, ungeachtet meiner Punkte, die doch immer nur Punkte in einem großen, leeren Raum blieben.
Meine Eltern sahen mit zunehmender Sorge zu, während sich meine Manie durch schlaflose Nächte und frühe Morgen zog. Ich bin kein Psychologe, aber ich denke, man kann rückblickend sagen, dass mich meine Begegnung mit den Friedhöfen der Normandie ein wenig traumatisiert hat. Als Gegengewicht zu dem morbiden innerlichen Drang, der mich diese Punkte malen ließ, schenkte mein Vater mir einige kleine Modellradfahrer und schlug vor, ich solle mit ihnen spielen. So wurde meine Liebe zum Radsport geboren. Die Punkte bekamen Gesichter. Es kam Bewegung in die Landschaft.
Mein Spiel wurde endlich zum Spiel. Nur ein Idiot würde Parallelen zwischen Krieg und Radsport ziehen, aber für mich waren diese zwei Dinge von Anfang an miteinander verbunden.“


Der Autor:

Daniel Dencik, geboren 1972, ist ein dänischer Schriftsteller und Filmemacher. Er hat seit 1998 zahlreiche Gedichte, Kurzgeschichten, Essays und Romane veröffentlicht. Für die dänische Tageszeitung Politiken berichtete er 2016 und 2017 als Reporter von der Tour de France. Zu seinem vielfach ausgezeichneten Werk als Regisseur gehören neben Spielfilmen wie »Miss Osaka« und »Gold Coast« auch Dokumentarfilme über die Radsportler Rasmus Quaade (»Moon Rider«) und Christopher Juul-Jensen (»The Butler«).


Covadonga
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covadonga.de


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