Eine Erzählung vom Radfahren in den Bergen.
Mit „Tausend Kilometer Süden“ erzählt Walter Jungwirth von der großen Freiheit auf zwei schmalen Reifen.
Drei Tage und drei Nächte praktisch non-stop im Sattel. Start und Ziel in der Provence, quer durch Ligurien, über Alpenriesen hinweg. Leuchtende Landschaften, Kälte, Wind, Einsamkeit, infernalische Abfahrten, bedrohliche Müdigkeit, die Euphorie der Endorphine. So ist der Mille du Sud. Eine wahre Langstreckenprüfung für unerschrockene Randonneure, wie sich die wahren Giganten der Landstraße, die namenlosen Ausdauerhelden, selbst nennen…
Walter Jungwirth ist kein Rennradfahrer wie jeder andere. Er ist ein „Randonneur“, einer jener namenlosen Ausdauerhelden der Landstraße, die mit Vorliebe bei sogenannten Brevets antreten: strapaziösen, bisweilen mehrtägigen Langstrecken, bei denen sich die Teilnehmer weitgehend auf eigene Faust durchzuschlagen haben. Weltberühmte Großveranstaltungen wie das legendäre Paris–Brest–Paris hat er gemeistert, aber auch Prüfungen, die als Geheimtipp in der Szene gelten und denen sich Jahr für Jahr nur ein paar Dutzend besonders unerschrockene Hasardeure stellen. So wie der Mille du Sud, ein dreitägiges Auf und Ab durch Südfrankreich und Italien. 2017 hat der begeisterte Brevet-Fahrer und -Organisator im Covadonga Verlag ein Buch über sein Lieblings-Event und die Faszination des Langstreckenfahrens veröffentlicht: „Tausend Kilometer Süden“ heißt das Debüt des Autors Walter Jungwirth, eine „Erzählung vom Radfahren in den Bergen“, die seither das Herz vieler Hobbyradfahrer mit Spaß an ausgedehnten Touren, aber auch zahlreicher Literaturfreunde ohne besonderen Bezug zum Radsport erobert hat.
Für Normalsterbliche mag es wie nackter Irrsinn klingen, auf wahre Randonneure übt so eine Prüfung offenbar einen ganz besonderen Reiz aus: tausend Kilometer Radfahren, höchst anspruchsvolles Terrain, ein streng gehandhabtes Zeitlimit von maximal 75 Stunden. Der Start erfolgt in einem Dorf tief in der Provence, später geht es quer durch Ligurien, entlang der malerischen Küste und durchs bergige Hinterland, schließlich steht auch noch einer der höchsten Pässe der Alpen als Scharfrichter im Weg, der Col Agnel mit seinen 2.744 Metern. Es sind drei Tage und drei Nächte praktisch non-stop im Sattel, unterbrochen nur durch kurze Verpflegungsstopps an Bäckereien oder ein Nickerchen in Bushaltestellen. Und durch unangekündigte Geheimkontrollen, die verhindern, dass jemand auch nur ein Stück des Weges abkürzt. Mal in kleinen Gruppen unterwegs, aber im Grunde ganz auf sich allein gestellt. Kälte, Wind, Einsamkeit, infernalische Abfahrten, bedrohliche Müdigkeit, leuchtende Landschaften, die Euphorie der Endorphine. So ist der Mille du Sud.
Walter Jungwirth hat ihn zum Schauplatz und Thema seines Erstlings gemacht. Sein Buch „Tausend Kilometer Süden“ ist eine mitreißende, poetische, rauschhafte Erzählung vom Radfahren durch fremde Länder und auf unbekannten Strecken. Eine Ode an die große Freiheit auf zwei schmalen Reifen… und an die unerschöpflichen Ausdauerreserven der menschlichen Spezies. Aber auch eine inspirierende Antwort auf entscheidende Fragen: Warum nimmt jemand so etwas – freiwillig – auf sich? Warum liegt in der unermesslichen Strapaze die noch größere Erfüllung? Und vor allem: Wen juckte es nach der Lektüre dieses kleinen, großen Büchleins nicht in den Beinen, es dem Autor gleichzutun und länger und weiter Rad zu fahren, als man es selbst je für möglich gehalten hätte?
Leseprobe „Tausend Kilometer Süden“:
Tag 0 – Prolog
„Wir werden ja sehen, so reden wir, altgediente Routiniers der Landstraße, und natürlich lassen wir alles auf uns zukommen, was da beim Mille du Sud auf uns zukommen wird, und manche werden uns um unsere Zuversicht beneiden, aber bloß mit der Beschwörung unseres stoischen Gleichmuts wäre ein ganzer Nachmittag im Café nicht erfolgreich zu bestreiten. Zudem verlangt die neue Strecke nach fachkundigen Kommentaren, allein schon die Tatsache, dass von den tausend Kilometern vierhundert durch Italien führen: was für ein interessantes und diskussionswürdiges Novum!
Walter Jungwirth
Der Randonneur liebt es grundsätzlich, Landschaften zu preisen, die er bereist hat oder bereisen möchte, und nicht selten gibt er dazu passend – oder im Zweifelsfall weit ausholend – gleich wundersame Geschichten zum Besten, die vorwiegend den Gleichgesinnten ein Wiehern oder Kopfschütteln abringen, während andere Zeitgenossen den Kontakt mit solchen Geschichtenerzählern nach Möglichkeit meiden, weil sie ihnen nicht geheuer sind. Aber hier in Carcès, am Vortag des Starts, sind wir unter uns und entfesselt, befeuert vom regionalen Angebot an Kaltgetränken, und die in diesem Zuge einsetzende Legendenbildung ist in vollem Gange. Da ist manches, was man noch nicht gehört hat oder nur zu gerne ein zweites oder drittes Mal hört, und den Randonneur möchte man sehen, der sich nicht davon mitreißen ließe. Auch ich bin da keine Ausnahme.“
Der Autor:
Walter Jungwirth, Jahrgang 1962, ist im Erstberuf Übersetzer für Französisch, heute arbeitet er in einer Psychiatrischen Klinik. Er lebt im Breisgau, wo er Ende der neunziger Jahre mit dem Radsport begann. 2003 machte er seine ersten Erfahrungen auf der Langstrecke, seither hat er zahllose Brevets absolviert. Er ist Repräsentant der Audax Randonneurs Allemagne im weltweiten Dach-verband der Langstreckenfahrer und Organisator der Brevets im Breisgau. In der Vergangenheit veröffentlichte er Geschichten übers Radfahren auf der Website www.viavelo.de. „Tausend Kilometer Süden“ ist sein erstes Buch.